Haben Sie unsere Einleitung sowie Experiment 1 und Experiment 2 verpasst?
Jetzt sind Sie aber hoffentlich bereit für den nächsten Sprung in die Welt der anekdotischen Evidenz…
Mit dem Rauchen aufzuhören ist eine GUTE Sache, nicht wahr? Selbstverständlich! Epigenetisch gesehen ist die Sache allerdings erstmal verwirrend.
Jede/r Ex-Raucher/in wird Ihnen sagen, dass die ersten Tage sehr herausfordernd sein können... Da sind zum einen die alten Reflexe, die neu programmiert werden müssen, da es so viele Orte, Menschen und Aktivitäten gibt, die mit Rauchen verbunden sind. Da das Rauchen das Belohnungssystem des Gehirns aktiviert, ist die Versuchung groß, die frühere Sucht durch eine andere zu ersetzen, z. B. durch (Junk-)Food oder Alkohol. Dies kann dazu führen, dass Ex-Raucher im Suchtkreislauf gefangen bleiben und erheblich an Gewicht zunehmen. Es ist ja bekannt, dass Nikotin die Energiehomöostase im Körper moduliert, da es unter anderem den Energieverbrauch und die Thermogenese erhöht (vgl. z.B. Stojakovic & al, 2017).
Aber hinter diesen Phänomenen steht vorrangig Stress: der Stress, der durch den Entzug ausgelöst wird und die Angst vor einem Rückfall – ganz zu schweigen von dem (potenziell chronischen) Stress, bei dem das Rauchen ursprünglich „helfen“ sollte (vgl. z.B. Grabowska & al., 2023).
Wie wir wissen, wirken sich sowohl Gewichtszunahme (vgl. z.B. Rajado & al. 2023; Galkin & al. 2023) als auch akuter Stress (vgl. z.B. Poganik, Horvath & al. 2023) negativ auf das biologische Alter aus. Das musste auch unser Proband (N=1; M) feststellen, nachdem er mit dem Rauchen aufgehört hatte – auch wenn er den Entzug zunächst mit nikotinhaltigen Kaugummis abgemildert hatte. Tatsächlich nahm er im Laufe der folgenden zwei Monate etwa fünf kg zu, und sein BMI (über 25) hat sich seitdem nicht mehr verändert. Als er im gleichen Zeitraum sein biologisches Alter beobachtete, fiel ihm ein steiler Anstieg (um fast sieben Jahre!) auf, der erst nach einem Monat langsam zurückging.
Diese anekdotischen Befunde werfen die Frage auf, ob der Körper zunächst mit der Entgiftung und der homöostatischen Regulierung, der Gewichtszunahme oder der kumulierten Stressbewältigung zu kämpfen hat. Durchaus plausibel ist es, dass all diese Aspekte zusammenwirken, um eine steile biologische Altersbeschleunigung auszulösen, bevor die Person zum Ausgangszustand zurückkehren und (hoffentlich!) eine Verjüngung erleben kann.
Parallel dazu hat unsere Testperson „Laborratte“ mit einem neuen Test gespielt, nämlich dem epiSmoke-Test, der sich noch in unserer Beta-Testphase befindet. Im Gegensatz zum epiAge-Test, der sich auf 13 CpGs konzentriert, die am besten mit der biologischen Alterung korrelieren, beleuchtet der epiSmoke-Test speziell die Rauchbelastung. In diesem Fall betrug der Zeitrahmen 6 Monate, und der erste Test, der vor dem Rauchstopp durchgeführt wurde, zeigte die schlechten Ergebnisse, die von einem starken Raucher zu erwarten sind. Aber nur 6 Monate nach dem Rauchentzug erzielte die Testperson Werte, die eine große Verbesserung zeigten. Es lohnt sich also durchaus, mit dem Rauchen aufzuhören, auch wenn es zunächst für biologischen Aufruhr sorgt!
Haben Sie kürzlich mit dem Rauchen aufgehört und Ihr biologisches Alter vorher und nachher gemessen? Wenn ja, wären wir auf Ihre Erfahrungen neugierig! Und falls Sie immer noch darüber nachdenken, mit dem Rauchen aufzuhören, können Sie Ihre Fortschritte mit unserem robusten epiAge-Test überwachen.
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Quellen
Stojakovic A, Espinosa EP, Farhad OT, Lutfy K. Effects of nicotine on homeostatic and hedonic components of food intake. J Endocrinol. 2017 Oct; 235(1):R13-R31. doi:10.1530/JOE-17-0166. Online: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5578410/
Grabowska,K. ; Ziemichód, W. ; Biała, G. Recent Studies on the Development of Nicotine Abuse and Behavioral Changes Induced by Chronic Stress Depending on Gender. Brain Sci. 2023, 13, 121. https://doi.org/10.3390/brainsci1301012. Online: https://www.mdpi.com/2076-3425/13/1/121
Rajado AT, Silva N, Esteves F, Brito D, Binnie A, Araújo IM, Nóbrega C, Bragança J, Castelo-Branco P; ALFA Score Consortium. How can we modulate aging through nutrition and physical exercise? An epigenetic approach. Aging (Albany NY). 2023 Apr 20;15(8):3191-3217. doi: 10.18632/aging.204668. Online: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10188329/
Fedor Galkin, Olga Kovalchuk, Diana Koldasbayeva, Alex Zhavoronkov, Evelyne Bischof, Stress, diet, exercise: Common environmental factors and their impact on epigenetic age, Ageing Research Reviews, Volume 88, 2023, https://doi.org/10.1016/j.arr.2023.101956. Online: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1568163723001150
Jesse R. Poganik, Bohan Zhang, Gurpreet S. Baht, Alexander Tyshkovskiy, Amy Deik, Csaba Kerepesi, Sun Hee Yim, Ake T. Lu, Amin Haghani, Tong Gong, Anna M. Hedman, Ellika Andolf, Göran Pershagen, Catarina Almqvist, Clary B. Clish, Steve Horvath, James P. White, Vadim N. Gladyshev, „Biological age is increased by stress and restored upon recovery“, Cell Metabolism,Volume 35, Issue 5, 2023, 807-820.e5, https://doi.org/10.1016/j.cmet.2023.03.015. Online: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1550413123000931
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