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Kurz & knapp Nr. 7 – „biologisches Alter“

Jenseits von „nicht mehr taufrisch“ oder „im Herzen jung“

Dr. Gwen Bingle
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3.4.2025

„kurz & knapp“-Folge Nr. 6 zum Thema „Epigenetik“ verpasst? Hier können Sie die Lektüre nachholen!

Könnte dies die nächste „Tinder“- oder „Parship“-Interaktion werden:

„Wie alt bist du?“

„Nun, chronologisch gesehen, bin ich 45, aber mein biologisches Alter ist 33.“

Oder klingt es zu futuristisch?

Nun, so weit sind wir vielleicht noch nicht, aber ein tiefer Blick in die epiAge-Kristallkugel zeigt, dass das gar nicht so weit hergeholt ist.

Im Ernst: Die Unterscheidung zwischen chronologischem und biologischem Alter ist noch relativ neu. Aber sie hat in den letzten zehn Jahren sowohl in der Wissenschaft als auch in der breiten Öffentlichkeit an Bedeutung gewonnen, weil sie auf ein Phänomen hinweist, das uns allen intuitiv bewusst ist. Nämlich die potenzielle Diskrepanz zwischen dem offiziellen Alter einer Person und der Art und Weise, wie sie aussieht und/oder sich bewegt.

Was ist denn das biologische Alter?

Leider kann man das „biologische Alter“ nicht verstehen, ohne zuerst seinen „zweieiigen“ Zwilling, das „chronologische Alter“, zu definieren. Fangen wir also damit an, denn das ist ziemlich unkompliziert.

Das Merriam-Webster Dictionary definiert es als „das Alter einer Person, gemessen von der Geburt bis zu einem bestimmten Datum“. Man könnte es auch als „die Anzahl der Jahre (Monate, Tage usw.), die seit der Geburt vergangen sind“ erfassen. Ein Blick in den Reisepass oder die Geburtsurkunde sowie ein kleines bisschen Mathe sollten also schnell alle Unklarheiten beseitigen ...

Das „biologische Alter“ hingegen ist viel schwieriger zu definieren. Tatsächlich findet man es weder in den renommiertesten englischsprachigen Wörterbüchern (oder Enzyklopädien) noch in den deutschsprachigen – sei es Duden, Pons oder DWDS – noch bei Wikipedia oder Wiktionary. Und das, obwohl der Begriff bereits 1988 in der medizinischen Literatur eingeführt wurde (Baker).

So müssen wir die Definition irgendwie ableiten: aus vorläufigen (Teil-)Definitionen der biomedizinischen Literatur sowie aus bisherigen „kurz & knapp“-Beiträgen und anekdotischen Erfahrungswerten.

Lassen wir uns mit diesen beginnen: Ihre Kardiologin, Ihr Dermatologe oder Ihre Sporttrainer beziehen sich womöglich indirekt auf Ihr biologisches Alter, wenn sie Ihr junges Herz oder Ihre frische Haut loben oder wenn sie die schlechtere Leistung Ihrer Lungen im Vergleich zu Ihrer Altersgruppe kritisieren.

Das „biologische Alter“ hat also etwas mit der mehr oder weniger jugendlichen Leistungsfähigkeit und/oder dem Aussehen Ihrer Organe zu tun.

Aber wie in früheren „kurz & knapp“-Beiträgen zum „Altern“ und den „Merkmalen des Alterns“ angedeutet, ist das Altern nicht auf das relative Alter unserer Organe beschränkt. Vielmehr bezieht es sich auf eine breite Palette von zeitbedingten Veränderungen, die auf verschiedenen Ebenen Ihrer Physiologie und Ihres Stoffwechsels stattfinden – von Ihren Telomeren bis zu Ihren Mitochondrien, Ihrem Mikrobiom und mehr.

Diese Veränderungen beeinflussen, wie Ihr gesamter Organismus aussieht und wie er funktioniert, von der Mikro- bis zur Makroebene. Darüber hinaus sind sie individuell getaktet und entwickeln sich nicht unbedingt linear.

Deshalb gefällt uns die folgende Sichtweise: „[…] wir definieren das biologische Alter als einen latenten abstrakten Wert, der das Ausmaß der altersbedingten biologischen Veränderungen, wie z. B. den molekularen und zellulären Abbau, widerspiegelt.“ (Bortz; 2023)

Diese Eigenschaft als „latenter konzeptioneller Wert“ kann nicht genug betont werden. Tatsächlich springt das biologische Alter nicht heraus als Ergebnis einer einfachen Beobachtung oder Messung. Vielmehr handelt es sich um ein etwas künstliches „Konstrukt“, das aus Alterszeichen gewebt ist, die im körperlichen Inneren versteckt oder auf seiner Oberfläche verstreut sind.

Darüber hinaus wird das biologische Alter „häufig zur Messung des Voranschreitens des biologischen Alterns [und] es kann Hinweise auf die Lebenserwartung und den Gesundheitszustand eines alternden Menschen geben“ (Bafei, 2023). Die Bestimmung des biologischen Alters eröffnet also auch die Perspektive einer längerfristigen Überwachung und Vorhersage.

Das biologische Alter bezieht sich also auf den tatsächlichen Gesundheitszustand und das Altern des Körpers aus der Perspektive des gesamten Organismusverglichen mit dem einer Kohorte von Personen gleichen Geschlechts und gleichen chronologischen Alters.

Inzwischen denken Sie vielleicht: „Das biologische Alter macht tatsächlich Sinn und klingt auch nützlich. Aber seine Bestimmung klingt sehr herausfordernd, nicht wahr?“

Und damit könnten Sie richtig liegen, denn genau darum geht es in unserer nächsten „kurz &knapp“-Folge: biologische Altersbestimmung. Bleiben Sie also dran!

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Quellen und weiterführende Literatur

“chronological age”, Merriam Webster Dictionary. Online: https://www.merriam-webster.com/dictionary/chronological%20age

George T. Baker, Richard L. Sprott. “Biomarkers of aging”. Experimental Gerontology, Volume23, Issues 4–5, 1988, 223-239. doi: 10.1016/0531-5565(88)90025-3. Online: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/0531556588900253?via%3Dihub

Bafei SEC, Shen C. “Biomarkers selection and mathematical modeling in biological ageestimation”. NPJ Aging. 2023 Jul 1;9(1):13. doi:10.1038/s41514-023-00110-8. Online: https://www.nature.com/articles/s41514-023-00110-8

Bortz, J., Guariglia, A., Klaric, L. et al. Biological age estimation using circulating blood biomarkers. Commun Biol 6, 1089 (2023). doi:10.1038/s42003-023-05456-z. Online: https://www.nature.com/articles/s42003-023-05456

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pixabay & epiAge

BEITRAG VON
Dr. Gwen Bingle
epiAge Deutschland Content & Customer Relations
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