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kurz & knapp Nr. 8 – „biologische Altersbestimmung“

Die unendliche Suche nach dem ultimativen Biomarker?

Dr. Gwen Bingle
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3.27.2025

Haben Sie die „kurz & knapp“-Folge Nr. 7 zum Thema „biologisches Alter“ verpasst? Hier können Sie sie nachlesen!

Erinnern Sie sich noch an die kultige „Jellyfish“-Swatch aus den 1980er-Jahren? Dank ihres transparenten Plastikgehäuses konnte man Ihr aktives Innenleben mit den bunten Zeigern, Zahnrädern sowie die Batterie direkt bewundern.

Wäre es nicht schön (zumindest manchmal ...), wenn unsere Körper quallenartig wären? Das würde die Bestimmung des biologischen Alters doch erheblich erleichtern, nicht wahr?

Leider hat sich bereits in unserer vorherigen „kurz &knapp“-Ausgabe herausgestellt, dass selbst ein quasi-radiologischer Blick (oder der eines MRT-/CT-Scans) nicht ausreicht, um alle subtilen Anzeichen des Alterns zu erfassen, die sich im und um den Körper entfalten.

Tatsächlich ist die Bestimmung des biologischen Alters eine besondere Herausforderung, da jede Alterserscheinung anhand verschiedener physiologischer, biochemischer und sogar kognitiver Marker gemessen werden kann.

Konkreter: Bei Ihrer nächsten ärztlichen Untersuchung werden möglicherweise Blut- und/oder Urintests durchgeführt. Diese basieren auf verschiedenen Markern, die auf Mängel, Krankheiten und Alterung hinweisen. Parallel dazu kann Ihr/e Hausarzt/-ärztin den Zustand Ihrer Lunge beurteilen, Ihren Blutdruck messen, Ihre Beweglichkeit testen, Ihre Haut, Ihr Seh- und Hörvermögen überprüfen und Sie vielleicht wiegen. Er/sie wird Sie möglicherweise zu Ihrer Familie oder Ihrem sozialen Umfeld, Ihrem Lebensstil, Ihren Hobbys und Ihrer Stimmung befragen. Und wenn ihm/ihr etwas auffällt, werden Sie möglicherweise zu einem/er Spezialisten/in geschickt, um genauere oder umfassendere Tests in einem bestimmten Fachbereich durchzuführen. Zu guter Letzt kann es sogar sein, dass er/sie Ihnen kognitive Tests empfiehlt, wenn Sie z.B. über Vergesslichkeit oder Verwirrtheit klagen.

Dadurch erhalten Ärzte ein facettenreiches Bild Ihres allgemeinen Gesundheitszustands und biologischen Alterns, da sie Ihre Daten mit Referenzdaten von Gleichaltrigen vergleichen. Aber selbst für Ärzte wird es wahrscheinlich ein komplexes, wenn nicht sogar verwirrendes Bild bleiben.

Jellyfish

Das liegt daran, dass der Körper so viel mehr ist als nur die Summe seiner Teile.

Tatsächlich kann man den allgemeinen Gesundheitszustand des Körpers nicht einfach durch Zusammenstellung oder Addition der Gesundheitszustände von verschiedenen Organen und Geweben ermitteln. Dies liegt daran, dass sie in verschiedene komplexe Systeme eingebettet sind, die auf unterschiedliche Weise kommunizieren, indem sie bestimmte Bahnen und Signale nutzen und sich dabei gegenseitig regulieren.  

In den letzten Jahren sind aber neue Modalitäten entstanden, die tiefere und umfassendere Einblicke in Gesundheit und Altern ermöglichen.

Neben den bereits erwähnten Untersuchungen nennt das Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns fortgeschrittene metabolomische und proteomische Verfahren sowie Telomerlänge- und epigenetische Tests.  Obwohl diese neuartigen Ansätze für die Bestimmung des biologischen Alters bereits sehr vielversprechend sind, bedürfen sie noch weiterer Validierung und systematischer Vergleiche (Zurbuchen, 2025).

Fast vier Jahrzehnte nach der ersten Prägung des Begriffs „biologisches Alter“ (Baker 1988) gibt es also immer noch keinen Goldstandard zur Bestimmung des biologischen Alters (Mathur 2024; Zurbuchen, 2025).

Dies ist auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen. Am auffälligsten (und ernüchterndsten!) ist, dass sich Altersforscher nicht einmal über die Grundprinzipien des biologischen Alterns einig sind (Gladyshev, 2024). Dann gibt es die Vielzahl an biologischen Alter-Scores (KDM, PCA, MLR, HD ...), die durch verschiedene Alterungs-Marker (z. B. systolischer Blutdruck, Taillenumfang, Glukose, Gedächtnisleistung usw.) untermauert werden, je nach spezifischem Ziel, das der Bestimmung des biologischen Alters zugrunde liegt (Zurbuchen, 2025). Um die Sache noch herausfordernder zu gestalten, sollten Biomarker, um wirklich anerkannt zu werden, einer biologischen, speziesübergreifenden, prädiktiven, analytischen und klinischen Validierung unterzogen werden (Moqri, 2024).

Wenn Sie also vor dem Lesen dieses Artikels keine Migräne hatten, spüren Sie jetzt sicher die ersten Anzeichen ...

Aber verzweifeln Sie nicht: Auch wenn noch kein breiter Konsens in Sicht ist, bieten die neueren „-omik“-Methoden wie Proteomik, Metabolomik, Mikrobiomik oder Epigenomik die Perspektive eines umfassenderen und detaillierteren Panoramas des biologischen Alterns – insbesondere, wenn sie kombiniert werden.

Allerdings verfügt die Epigenomik bisher über die längste Expertise auf dem Gebiet der biologischen Altersbestimmung, und neuere epigenetische Uhren bieten immer noch die überzeugendsten biologischen Altersschätzungen.

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Quellen und weiterführende Literatur

„Wie kann man das biologische Alter messen?“. Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns. Online: https://www.age.mpg.de/211116/how-can-you-measure-biological-age

George T. Baker, Richard L. Sprott. “Biomarkers of aging”. Experimental Gerontology, Volume23, Issues 4–5, 1988, 223-239. doi: 10.1016/0531-5565(88)90025-3. Online: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/0531556588900253?via%3Dihub

Zurbuchen, Rebecca, von Däniken, Anna, Janka, Heidrun, von Wolff, Michael, Stute Petra. „Methods for the assessment of biological age – A systematic review”. Maturitas. 2025 Feb 7:195:108215. doi: 10.1016/j.maturitas.2025.10821. Online : https://www.maturitas.org/article/S0378-5122(25)00023-4/abstract

Mathur A, Taurin S, Alshammary S. “New insights into methods to measure biological age: a literature review.” Frontiers in Aging. 2024 Dec 16;5:1395649. doi:10.3389/fragi.2024.1395649. Online: https://www.frontiersin.org/journals/aging/articles/10.3389/fragi.2024.1395649/full

Vadim N. Gladyshev, Benjamin Anderson, Hanna Barlit, Benjamin Barré et al, “Disagreement on foundational principles of biological aging”. PNAS Nexus, Volume 3,Issue 12, December 2024, pgae499, doi:10.1093/pnasnexus/pgae499. Online: https://academic.oup.com/pnasnexus/article/3/12/pgae499/7913315

Moqri, M., Herzog, C., Poganik, J.R. et al. “Validation of biomarkers of aging”. Nat Med 30, 360–372 (2024). doi: 10.1038/s41591-023-02784-9. Online: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11090477/  

Rutledge J, Oh H, Wyss-Coray T. “Measuring biological age using omics data". Nat Rev Genet. 2022 Dec;23(12):715-727. doi:10.1038/s41576-022-00511-7. Online: https://www.nature.com/articles/s41576-022-00511-7

Leitner, Brooks. “Biological Age: The Science and History Behind the Biomarker of Health”. Where Theory Meets Practice. Feb. 15, 2025. Online: https://brooksleitner.substack.com/p/biological-age-the-science-and-history

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pixabay & epiAge

Fotis Michalainas / pexels

BEITRAG VON
Dr. Gwen Bingle
epiAge Deutschland Content & Customer Relations
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