Sie haben also gerade herausgefunden, warum wir immer noch zwiegespalten sind, was die semantische Neuerfindung des Anti-Agings angeht. Tatsächlich überzeugt uns seine Neuorientierung weg von den Verblendungen des Marktes hin zu evidenzbasierter Wissenschaft noch nicht ganz.
Bei epiAge bevorzugen wir den Begriff „Longevity“ [Langlebigkeit], auch wenn er ursprünglich nur so knapp erfasst ist wie „[…] die Fähigkeit, über das artspezifische durchschnittliche Sterbealter hinaus zu überleben“ (De Benedictis et al., 2005).
Im Laufe der Jahre hat sich der Begriff „Longevity“, insbesondere in Verbindung mit „Medizin“, tatsächlich zu einem sanfteren Ansatz für das Streben nach einem längeren Leben entwickelt. Dieser Ansatz wirkt nicht nur weniger k(r)ampfhaft als *ANTI*-Aging, sondern er stellt die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit dem Körper bereit. Hier gilt es eher, seine natürlichen Regenerationsfähigkeiten zu unterstützen, statt ihn oberflächlich zu „korrigieren“.
Anstelle eines Kampfes gegen das Altern, den wir irgendwann (immer noch) verlieren werden, bietet Longevity die Perspektive, das maximale Potenzial unserer Lebensspanne auszuschöpfen. Durch verstärkte Forschung an Hochbetagten soll unter anderem ein ganzheitliches Licht auf die Merkmale und Strategien dieser Individuen geworfen werden. Die Longevity-Medizin strebt also nicht nur danach, die harten Fakten (seien sie epi-/genetisch, physiologisch oder metabolisch) aufzudecken, die möglicherweise zu einem längeren Leben beitragen, sondern betont auch die weicheren, aber ebenso entscheidenden Prägungen und Gewohnheiten, die es fördern. In der Tat:
„Experten sind sich einig, dass Longevity ein komplexes Merkmal ist, das von den klassischen drei Komponenten gesteuert wird, die multifaktorielle Phänotypen modulieren: Gene, Umwelt und Zufall. Beim Menschen tragen jedoch auch soziale und kulturelle Gewohnheiten zu diesem Merkmal bei. Tatsächlich hat die Geschichte im weitesten Sinne des Wortes (die alle Ereignisse der Vergangenheit umfasst) einen tiefgreifenden Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, ein hohes Alter zu erreichen, indem sie sowohl auf individueller als auch auf Bevölkerungsebene wirkt.“ (De Benedictis et al., 2005).
Dies erklärt den Erfolg des sonst umstrittenen „Blue Zones“ Konzepts (Buettner et al., 2008), das nicht nur Aufmerksamkeit auf erfolgreiche Ernährungs- oder Bewegungsgewohnheiten lenkt, sondern auch auf Gemeinschaft, Naturverbundenheit oder Spiritualität als entscheidende Aspekte zur Förderung eines glücklichen und gesunden langen Lebens.
Denn darum geht es doch, nicht wahr? 100 Jahre alt zu werden macht nur dann Spaß, wenn man weder krank noch gelangweilt oder einsam ist ...
Und hier kommt das Konzept der „Healthspan“ ins Spiel. Begleiten Sie uns also noch ein Stück auf unserer sprachlichen Altersreise!
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Quellen und weiterführende Literatur
“What do the terms life expectancy, lifespan, longevity and health span mean?”. Max-Planck Institute for biology of ageing. Online: https://www.age.mpg.de/what-do-the-terms-life-expectancy-lifespan-longevity-and-health-span-mean
De Benedictis G, Franceschi C. "The unusual genetics of human longevity". Sci Aging Knowledge Environ. 2006 Jun 28;2006(10):pe20. doi: 10.1126/sageke.2006.10.pe20. Online: https://www.science.org/doi/10.1126/sageke.2006.10.pe20
Buettner, Dan. The Blue Zone: Lessons for Living Longer from the People Who've Lived the Longest. Washington: National Geographic Books, 2008
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pixabay & epiAge