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Lebenserwartung: die deutsche Ausnahme?

Reich und herzkrank mitten in Europa

Dr. Gwen Bingle
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6.12.2024

Bei epiAge sind wir eher „Friede-Freude-Eierkuchen“, wenn es um Nachrichten geht, da es genug schlechte Nachrichten gibt und wir unser Publikum gerne ermutigen, ihre Gesundheit selbst zu verantworten. Heute wird es aber ausnahmsweise etwas düsterer …

In der Longevity-Szene vergeht scheinbar keine Woche, ohne dass uns versprochen wird, dass wir dank wissenschaftlicher Fortschritte und/oder ausgeklügelter Technologien immer länger und gesünder leben (werden). Eine schöne Perspektive, nicht wahr?

Aber wie siehts denn in Wirklichkeit aus?

Vor kurzem ging eine beunruhigende Meldung durch die deutsche Presse: Deutschland gehöre in Sachen Lebenserwartung zu den Schlusslichtern in Westeuropa – Tendenz sinkend.

Boah, ausgerechnet Deutschland? Müssen wir uns ernsthaft Sorgen machen?

Die zugrundeliegende Studie (Grigoriev et. Al. Bundesgesundheitsblatt) sieht einen Rückstand in der Lebenserwartung im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern, der in den vergangenen 20 Jahren stetig gewachsen ist. Und dies schon längst vor Corona, da die Studie Daten nur bis 2019 berücksichtigt. Konkret: „Lag Deutschland im Jahr 2000 bei den Männern 0,73 Jahre und bei Frauen 0,74 Jahre zurück, waren es 2019 bereits 1,43 bzw. 1,34 Jahre“.

Über unterschiedliche kohortenspezifische Muster hinaus scheint die erhöhte deutsche Sterblichkeit vorwiegend Menschen im höheren Erwachsenenalter (Männer ab 50 Jahren und Frauen ab 65 Jahren) zu betreffen.

Schon in den 1960er schnitt Deutschland im Hinblick auf Lebenserwartung schlecht ab, konnte sich aber in den 1980er stetig verbessern, bevor die Wiedervereinigung es vor neuen Herausforderungen stellte. Nach einer guten Aufholphase in den 1990er zeichnete sich eine gewisse Stagnation im Osten ab. Aber seit 2000 ist eine allgemeine Verschlechterung der deutschen Position unübersehbar.    

Während das Forscherteam die Schwierigkeit einräumt, allumfassende Gründe für diesen Trend zu nennen, weist es trotzdem auf einen Hauptverdacht: „Dies erklärt sich überwiegend durch Sterblichkeit an nichtübertragbaren Krankheiten.“ Konkreter: Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Aber wie konnte es so weit kommen – insbesondere in einem Land mit „einer gut finanzierten, technologisch fortschrittlichen und gut zugänglichen Gesundheitsversorgung“?

Als multifaktoriell bedingte Erkrankungen – wie übrigens andere sogenannte Zivilisationskrankheiten – sind Herz-Kreislaufstörungen u. a. oft auf Stress, Rauchen, Alkohol, Übergewicht, mangelnde Bewegung und schlechte Ernährung zurückzuführen. Während Deutschland bezüglich mancher Faktoren nicht schlechter als die Nachbarstaaten abschneidet, sehen die Forscher großen Nachholbedarf in der öffentlichen Gesundheitspolitik. Alkohol-, Tabak- und vorwiegend Ernährungsprävention sollten betont werden, da Deutsche zu wenig Obst und Gemüse verzehren.

Unser Fazit bei epiAge? Prävention auf Lifestyle-Ebene ist und bleibt der wichtigste Schlüssel zu einer gesunden Langlebigkeit. Also ab in den Gemüseladen – zu Fuß oder mit dem Fahrrad!

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Grigoriev, P., Sauerberg, M., Jasilionis, D. et al. "Sterblichkeitsentwicklung in Deutschland im internationalen Kontext". Bundesgesundheitsbl 67, 493–503 (2024). https://doi.org/10.1007/s00103-024-03867-9. Online: https://link.springer.com/article/10.1007/s00103-024-03867-9

„Deutschland fällt bei Lebenserwartung in Westeuropa weiter zurück“. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 22.05.2024. Online-Pressemitteilung: https://www.bib.bund.de/DE/Presse/Mitteilungen/2024/2024-05-22-Deutschland-faellt-bei-Lebenserwartung-in-Westeuropa-weiter-zurueck.html

BEITRAG VON
Dr. Gwen Bingle
epiAge Deutschland Content & Customer Relations
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